Stories @ WIFU – Prof. Dr. Arist von Schlippe lässt Konflikte in seinem Seminar lebendig werden

4. März 2021

Welches Seminar bieten Sie an der UW/H an? 

Regelmäßig biete ich an der Uni Witten ein Seminar an mit dem Thema „Konflikt und Konfliktmanagement“.  

 

Welchen zentralen Fragestellungen wird in diesem Seminar nachgegangen? 

Es geht dabei zunächst ganz allgemein um Konfliktdynamiken in kleineren und größeren Systemzusammenhängen, doch ein Schwerpunkt liegt auf den besonderen Bedingungen, unter denen sich in Unternehmerfamilien Konflikte entwickeln. Diese müssen nämlich immer wieder die unvereinbaren Logiken von Familie und Unternehmen ausbalancieren. Dadurch bieten sich in viel größerer Zahl Möglichkeiten für Kommunikationen, die sich konflikthaft entwickeln können. 

 

Was macht das Seminar besonders? 

Ein Bestandteil des Seminars ist eine Aufgabe an die Studierenden: Sie können sich einzeln oder als Gruppe irgendeinen Konflikt aussuchen, dieser kann ganz persönlich sein (die eigene Familie, die eigene WG oder ein Konflikt von Freunden/Bekannten), aus der Presse und anderen öffentlich zugänglichen Quellen ausgewählt werden (etwa ein größerer Familienunternehmenskonflikt) oder auch aus Literatur und Film. In einem größeren Abschlussworkshop werden die Ergebnisse der Recherchen dann vorgestellt und den TeilnehmerInnen über kleine Rollenspiele oder Filmausschnitte lebendig nahegebracht. 

 

Welche Anekdote aus Ihrem Kurs ist Ihnen besonders im Kopf geblieben? 

Von einem solchen Moment möchte ich erzählen: eine Gruppe von vier Studierenden hatte sich vor einiger Zeit für den Workshop das Thema „die deutsch-französischen Beziehungen“ vorgenommen. Oha– ein ziemlich großes Vorhaben, sehr anders auch, als ich bislang gewohnt war und erwartet hatte. Ob man daraus etwas Umsetzbares zum Thema Konflikte und Konfliktmanagement herausholen kann? Es wurde eine sehr spannende Präsentation: wir erfuhren viel über die Jahrhunderte zurückreichenden Spannungen beider Länder, die schließlich in einen Begriff mündeten, der die Sackgasse deutlich machte, in die sie sich hineinmanövriert hatten: „Erbfeindschaft“. Ein „Erbfeind“ ist einer, der mein Feind ist, einfach weil er mein Feind ist. Es braucht gar keinen besonderen Anlass mehr, die Feindschaft ist „einfach da“. Ich erinnerte mich an die Familien von dem einen oder anderen langjährigen Familienunternehmen, in dem ich es ähnlich erlebt habe: eine Spannung, die von früheren Generationen übernommen wurde und durch die es den gegenwärtig aktiven VertreterInnen schwer wurde zusammenzukommen. Solche Konflikte sind besonders schwer zu lösen, weil man ja die Loyalität, mit der man über die Jahrzehnte hin den vorangegangenen Generationen die Treue gehalten hat, verraten würde, wenn man sich vertragen würde. Und doch sind die beiden Länder heute gut befreundet, wie kann man sich das erklären? Im Seminar wurde hier auf einen interessanten Punkt fokussierteine Rede von Charles de Gaulles an die deutsche Jugend Anfang der 1960er Jahre. Er sprach auf Deutsch und redete die jungen Menschen mit diesem wunderbaren französischen Akzent direkt an: „Ich spreche hier zu Ihnen als Angehörigen eines großen Volkes, eines Volkes, auf das Sie stolz sein können!“ – was für ein Satz gerade anderthalb Jahrzehnte nach dem Krieg. Da habe ich verstanden, dass es manchmal bei lang andauernden und festgefahrenen Konflikten eine besondere Geste, ja, auch eine „große Geste“ braucht, um diese wieder in Bewegung zu bringen. Ob de Gaulle da wohl über einen eigenen Schatten springen musste? Der Gedanke beschäftigt mich seither, wenn ich mit Menschen und ihren Konflikten zu tun habe: wie könnte hier eine Geste aussehen, die den Akteuren helfen könnte, aus ihrer persönlichen Sackgasse wieder herauszufinden – eine Frage, die sich nicht nur in Unternehmerfamilien stellt. 


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KOMMENTARE


Tom (2021-03-05 23:36:27)

Eines der beliebtesten und besten Seminare eher!

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