Stories @ WIFU – Prof. Dr. Heiko Kleve erzählt, wie Studierende die Lebensherausforderungen von Unternehmerfamilien nachvollziehen können 

25. Juni 2021

Welches Seminar lehren Sie an der UW/H? 

Wenn auch Gefühle zur wissenschaftlichen Erkenntnisquelle werden „Sozialpsychologie und Soziologie des Familienunternehmens und der Unternehmerfamilie” (Ein Seminar von Prof. Dr. Heiko Kleve und PD. Dr. Tobias Köllner).

 

Welchen zentralen Fragestellungen wird in diesem Seminar nachgegangen? 

„Sozialpsychologie“ und „Soziologie“ – allein diese beiden Begriffe mögen bei Studierenden des Managements eher Gähnen und Langeweile hervorrufen. Und wenn diese Bezeichnungen wissenschaftlicher Disziplinen noch verknüpft werden mit „Familienunternehmen“ und „Unternehmerfamilien“, dann wird vielleicht ein trockener Lektürekurs erwartet, in dem vor allem Artikel gelesen und diskutiert werden. In unserem Kurs ist das grundsätzlich anders. 

Diese Andersartigkeit unseres Seminars brachte eine Psychologie-Studentin auf den Punkt, die aus Interesse am Thema unsere Lehrveranstaltung besuchte; sie meinte erstaunt: „Bei euch zählen ja auch die Gefühle; ihr nutzt diese als Erkenntnisquelle, um zu überraschenden Ergebnissen zu kommen.“ Genau, so machen wir das in diesem Kurs. Wir nutzen – psychoanalytisch gesprochen: die Gegenübertragungsanalyse. Wir arbeiten mit qualitativ erhobenen Daten, sprich: Interview-Transkripten aus narrativen Gesprächen, und analysieren diese systematisch – und zwar gemeinsam und sehr intensiv mit den Studierenden. 

 

Was macht das Seminar besonders? 

Wir arbeiten in dieser Lehrveranstaltung ganz praktisch: Nach einer knappen Einführung in die Grundlagen des Verständnisses von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien widmen wir uns dem besonderen Leben in diesen Familien. Dem nähern wir uns an, in dem wir uns sieben Lebensherausforderungen anschauen: (1.) dem Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen, (2.) der Erziehung durch die Eltern, (3.) der Nachfolge-/Übergabe-Situation, (4.) den Partnerschaftsbeziehungen, (5.) dem Tätigsein als Unternehmer*in, (6.) dem Loslassen und (7.) dem Leben als GesellschafterIn. Diese Lebensthemen haben wir in Gesprächen mit Mitgliedern aus Unternehmerfamilien ausführlich vertieft. 

Es ist für uns alle immer wieder aufschlussreich, überraschend, erkenntnisbringend, aufrüttelnd und mitreißend, wie Menschen aus ihrem Leben erzählen. Um diese Erzählungen in differenzierter Weise zu analysieren, nutzen wir eine hermeneutische Auswertungsmethode, die uns zum einen erlaubt, die subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen unserer InterviewpartnerInnen zu verstehen und zum anderen in emotionaler Tiefe nachzuvollziehen, wie es diesen Menschen in ihren Lebensherausforderungen und mit ihren Bewältigungsmechanismen ergeht. 

Gerade um die emotionale Dimension des Verstehens zu öffnen, laden wir im Seminar aktiv zu empathischen Perspektivenübernahmen ein: Wie würde es uns selbst gehen, wenn wir in der Situation der interviewten Personen wären? Neben der strengen „Wort-für-Wort“- und „Satz-für-Satz“-Analyse der qualitativen Sequenzanalyse der Interviews ist das emotionale Verstehen eine besondere Kompetenz qualitativer Sozialforschung, die Studierende in unserem Kurs nicht nur lernen, sondern für ihr eigenes Leben nachhaltig nutzen können. Diese Auswertungsform ist zu Beginn sicherlich sehr herausfordernd, macht jedoch, je länger man sich darin erprobt, enorm viel Spaß und bringt vor allem spannende und überraschende Erkenntnisse hervor, die das Leben der Interviewten und vielleicht auch das eigene in neuen, verschiedenfarbigen Lichtern erscheinen lassen. 


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