Sie sind definiert über den bestimmenden Einfluss einer Familie auf die Entwicklung des Unternehmens. Aus diesem Einfluss (und nicht aus der Unternehmensgröße) erwachsen die Eigenarten dieses Unternehmenstyps.
Je nach Definition lassen sich zwischen 70 und 85% aller Unternehmen dem Unternehmenstyp ‚Familienunternehmen‘ zuordnen. Bei einem geschätzten Unternehmensbestand von 3,38 Millionen klein- und mittelständischer Unternehmen in Deutschland (Stand: 2003) sprechen wir also von weit über zwei Millionen Familienunternehmen der entsprechenden Größenordnung. Diese beachtliche Größe unterstreicht, dass wir es bei Familienunternehmen, in denen entweder ein Mitglied, mehrere Mitglieder unterschiedlicher Verwandtschaftsgrade oder auch mehrere Familien gemeinsam im Besitz eines Unternehmens sind, mit dem viel zitierten Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu tun haben.
Dies macht nicht nur auf Unternehmens-, sondern ebenso auf der Familienseite einen enormen Unterschied. Ab wann genau kann eigentlich von Familienunternehmen gesprochen werden? Hier gibt es keine eindeutige Definition (was auch die Schwankungen bei Schätzungen erklärt). Einige Forschungsansätze behelfen sich mit der Festlegung auf quantifizierbare Strukturen und setzen z. B. einen Eigentumsanteil von mindestens 50 Prozent fest. Vielversprechender erscheint aber eine Definition, die davon ausgeht, dass sich ein Unternehmen im Eigentum einer Familie oder eines Familienverbands befindet und die Familie einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens ausübt: Sie muss in der Lage sein, die maßgeblichen Entscheidungen im Unternehmen zu bestimmen, um das Unternehmen nach innen und außen zu prägen. Ist dieses gegeben, kann man sinnvollerweise von einem Familienunternehmen sprechen. Diese Definition ermöglicht den Blick von den Strukturen hin zu den zahlreichen und vielfältigen Dynamiken in Familienunternehmen. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf Rollendefinitionen, Interaktionsprozesse und die Beziehungsdialektik, mit der es die Familien und Unternehmen zu tun haben und die die ‚Familyness‘ ausmachen – also die spezifische Ressourcen- und Gefährdungslage, in der sich Familie und Unternehmen befinden.
Diese Besonderheit – und darum steht diese These allen anderen voran – bekommt man nicht in den Blick, wenn man Familienunternehmen auf bestimmte Größenordnungen reduziert. Familienunternehmen unterschiedlicher Dimensionen, vom Handwerksbetrieb bis zum Konzern, sind das Ergebnis eines oftmals produktiven, zuweilen destruktiven Zusammenwirkens von Unternehmens- und Familienlogiken.
Die beiden Pole des daraus entstehenden Spannungsfelds können wie folgt charakterisiert werden: In Familien steht die einzelne Person mit all ihren Stärken und Schwächen im Mittelpunkt des Interesses. Ihr Wert ergibt sich aus der bloßen Zugehörigkeit zur Familie. Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang wird überwiegend im Sinne der Gleichheit von Ansprüchen, Rechten, Pflichten und Erwartungen verstanden. Man gehört auf Lebenszeit zur Familie, denn Blutsbande kann man nicht kündigen. Geben und Nehmen sind häufig asymmetrisch verteilt (Eltern-Kinder), für die erbrachte Leistung wird keine unmittelbare oder mittelfristige Entlohnung erwartet. Tatsächlich ist der Gewinn, den man aus den Beziehungen zieht, eher emotionaler und ideeller Natur als materieller. Die Kommunikation ist vorwiegend mündlich und wenig formalisiert. In Unternehmen hingegen geht es primär um die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Produkten und/oder Dienstleistungen. Personen sind nur hinsichtlich der sachlich begründbaren Funktionen wichtig, die sie für die Organisation erfüllen. Als Rollenträger müssen sie prinzipiell austauschbar, d. h. auch kündbar sein. Ihr Wert ergibt sich dabei aus der erbrachten Leistung, die unmittelbar und materiell durch Lohn oder Gehalt abgegolten wird. Gerechtigkeit wird hier über die Passung von Leistung und materieller Entgeltung bestimmt. Die Kommunikation ist formalisiert, zu einem großen Anteil sogar schriftlich fixiert – Verträge werden auf dem Papier mit Unterschriften besiegelt, nicht per Handschlag. Die beiden so unterschiedlichen Funktionslogiken von Familie und Unternehmen beeinflussen sich gegenseitig und bestimmen somit die charakteristischen Eigenarten des Familienunternehmens.
Genau diese Koppelung der Logiken ist es auch, die zu Gesellschafterstreitigkeiten führt, die Unfrieden in die Unternehmerfamilie bringt, Generationenkonflikte schürt, etc. Und ebenso ist es auch wiederum diese Koppelung, die zum besonderen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem nach dem Prinzip des Shareholder-Value-Ansatzes geführten Unternehmen werden kann, da die Familie des Familienunternehmens oft Werte vermittelt, die über die kurzfristigen finanziellen Gewinnerwartungen und -versprechen hinaus sinnstiftend für das Unternehmen wirken können. „Für die Familienunternehmen gibt es die Alternative ‚Markt‘ oder ‚Wert‘ nicht. Sie sagen: beides.“ Anders als vielfach gefordert, ist aus dieser Sicht keine möglichst baldige und weitgehende Trennung von Familie und Unternehmen, sondern gerade die positive Interaktion beider Systeme zur Herstellung von Synergieeffekten und entsprechenden Wettbewerbsvorteilen anzustreben.