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DEFINITIONEN ZU FAMILIENUNTERNEHMEN & UNTERNEHMERFAMILIEN


FAMILIENSTRATEGISCHER REIFEGRAD EINER UNTERNEHMERFAMILIE

FAMILIENSTRATEGISCHER REIFEGRAD EINER UNTERNEHMERFAMILIE

Unter dem familienstrategischen Reifegrad einer Unternehmerfamilie verstehen wir den Umfang und das Ausmaß des Einsatzes von Selbstflexions-, Kommunikations- und Kollaborationssystemen, die die Entscheidungsfindung und den Zusammenhalt innerhalb der Unternehmerfamilie fördern.
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FAMILIENUNTERNEHMEN

FAMILIENUNTERNEHMEN

Familienunternehmen sind Unternehmen, die sich ganz oder teilweise im Eigentum einer Familie oder mehrerer Familien befinden, die die Entwicklung des Unternehmens maßgeblich bestimmen und bei denen eine Übergabe der Verantwortung in die nächste Generation geplant ist.
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UNTERNEHMERFAMILIEN

UNTERNEHMERFAMILIEN

Eine Unternehmerfamilie ist eine Familie, deren Entwicklung durch ein im Eigentum einzelner oder mehrerer Familienmitglieder befindliches Unternehmen geprägt wird und bei der eine Weitergabe des unternehmerischen Eigentums in die nächste Generation geplant ist.
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GESELLSCHAFTERKOMPETENZ

GESELLSCHAFTERKOMPETENZ

Gesellschafterkompetenz umfasst sämtliche Fähigkeiten und Fertigkeiten von aktuellen und potenziellen Gesellschaftern eines Familienunternehmens zur erfolgreichen Ausübung ihrer Eigentümerfunktion.
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FAMILIENSTRATEGIE

FAMILIENSTRATEGIE

Eine Familienstrategie reflektiert das Selbstverständnis einer Unternehmerfamilie und definiert, wie die Familie dem Unternehmen als Ressource langfristig erhalten bleiben kann.
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FAMILIENVERFASSUNG

FAMILIENVERFASSUNG

Eine Familienverfassung ist ein juristisch nicht bindendes Schriftstück einer Unternehmerfamilie, in dem diese ihre zentralen Leitlinien des familialen und unternehmerischen Denkens zusammengefasst hat.
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FAMILY BUSINESS GOVERNANCE

FAMILY BUSINESS GOVERNANCE

Unter dem Begriff Family Business Governance (bzw. Family Governance) ist die gleichwertige Aufmerksamkeit auf die Handhabung von Familien- und Unternehmensfragestellungen zu verstehen.
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MITTELSTAND

MITTELSTAND

Die Begriffe „Mittelstand“ und „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ werden oft synonym für Familienunternehmen verwendet. Diese beschreiben jedoch nicht dasselbe.
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NACHFOLGE

NACHFOLGE

Nachfolge umfasst das Bestreben, einen Übergang von Eigentum, Führung und Verantwortungsgefühl auf die nächste Generation sicherzustellen.
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Dynastische Großfamilie

Dynastische Großfamilie

Als dynastische Großfamilien (Big Families) bezeichnen wir Unternehmerfamilien, die sich durch einen Gesellschafterkreis von mehr als 50 Personen auszeichnen. Prägend für diesen Typus von Unternehmerfamilie ist neben dem gemeinsamen Willen zum Erhalt des Familienunternehmens im Eigentum der Gründernachkommen, die Interaktion als Netzwerk bestehend aus Verwandten.
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Digital Openness

Digital Openness

Unter digitaler Offenheit (digital openness) wird im Folgenden der Grad des Verständnisses und der Überzeugung sowie der Offenheit für die bzw. gegenüber der Digitalisierung, den die Unternehmerfamilie als Ganzes aufbringt, verstanden.
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Digital Readiness

Digital Readiness

Die digitale Bereitschaft (digital readiness) bezieht sich auf die im Familienunternehmen vorhandenen Qualifikationen und Kompetenzen und beschreibt den Grad des Digitalisierungs-Knowhows und der unternehmerischen Anwendungskompetenz, welche bei den Mitgliedern der Unternehmerfamilie in Summe vorhanden und aktivierbar ist.
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DIE 10 WITTENER THESEN


1. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND ANDERS

Sie sind definiert über den bestimmenden Einfluss einer Familie auf die Entwicklung des Unternehmens. Aus diesem Einfluss (und nicht aus der Unternehmensgröße) erwachsen die Eigenarten dieses Unternehmenstyps.

Je nach Definition lassen sich zwischen 70 und 85% aller Unternehmen dem Unternehmenstyp ‚Familienunternehmen‘ zuordnen. Bei einem geschätzten Unternehmensbestand von 3,38 Millionen klein- und mittelständischer Unternehmen in Deutschland (Stand: 2003) sprechen wir also von weit über zwei Millionen Familienunternehmen der entsprechenden Größenordnung. Diese beachtliche Größe unterstreicht, dass wir es bei Familienunternehmen, in denen entweder ein Mitglied, mehrere Mitglieder unterschiedlicher Verwandtschaftsgrade oder auch mehrere Familien gemeinsam im Besitz eines Unternehmens sind, mit dem viel zitierten Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu tun haben.

Dies macht nicht nur auf Unternehmens-, sondern ebenso auf der Familienseite einen enormen Unterschied. Ab wann genau kann eigentlich von Familienunternehmen gesprochen werden? Hier gibt es keine eindeutige Definition (was auch die Schwankungen bei Schätzungen erklärt). Einige Forschungsansätze behelfen sich mit der Festlegung auf quantifizierbare Strukturen und setzen z. B. einen Eigentumsanteil von mindestens 50 Prozent fest. Vielversprechender erscheint aber eine Definition, die davon ausgeht, dass sich ein Unternehmen im Eigentum einer Familie oder eines Familienverbands befindet und die Familie einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens ausübt: Sie muss in der Lage sein, die maßgeblichen Entscheidungen im Unternehmen zu bestimmen, um das Unternehmen nach innen und außen zu prägen. Ist dieses gegeben, kann man sinnvollerweise von einem Familienunternehmen sprechen. Diese Definition ermöglicht den Blick von den Strukturen hin zu den zahlreichen und vielfältigen Dynamiken in Familienunternehmen. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf Rollendefinitionen, Interaktionsprozesse und die Beziehungsdialektik, mit der es die Familien und Unternehmen zu tun haben und die die ‚Familyness‘ ausmachen – also die spezifische Ressourcen- und Gefährdungslage, in der sich Familie und Unternehmen befinden.

Diese Besonderheit – und darum steht diese These allen anderen voran – bekommt man nicht in den Blick, wenn man Familienunternehmen auf bestimmte Größenordnungen reduziert. Familienunternehmen unterschiedlicher Dimensionen, vom Handwerksbetrieb bis zum Konzern, sind das Ergebnis eines oftmals produktiven, zuweilen destruktiven Zusammenwirkens von Unternehmens- und Familienlogiken.

Die beiden Pole des daraus entstehenden Spannungsfelds können wie folgt charakterisiert werden: In Familien steht die einzelne Person mit all ihren Stärken und Schwächen im Mittelpunkt des Interesses. Ihr Wert ergibt sich aus der bloßen Zugehörigkeit zur Familie. Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang wird überwiegend im Sinne der Gleichheit von Ansprüchen, Rechten, Pflichten und Erwartungen verstanden. Man gehört auf Lebenszeit zur Familie, denn Blutsbande kann man nicht kündigen. Geben und Nehmen sind häufig asymmetrisch verteilt (Eltern-Kinder), für die erbrachte Leistung wird keine unmittelbare oder mittelfristige Entlohnung erwartet. Tatsächlich ist der Gewinn, den man aus den Beziehungen zieht, eher emotionaler und ideeller Natur als materieller. Die Kommunikation ist vorwiegend mündlich und wenig formalisiert. In Unternehmen hingegen geht es primär um die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von Produkten und/oder Dienstleistungen. Personen sind nur hinsichtlich der sachlich begründbaren Funktionen wichtig, die sie für die Organisation erfüllen. Als Rollenträger müssen sie prinzipiell austauschbar, d. h. auch kündbar sein. Ihr Wert ergibt sich dabei aus der erbrachten Leistung, die unmittelbar und materiell durch Lohn oder Gehalt abgegolten wird. Gerechtigkeit wird hier über die Passung von Leistung und materieller Entgeltung bestimmt. Die Kommunikation ist formalisiert, zu einem großen Anteil sogar schriftlich fixiert – Verträge werden auf dem Papier mit Unterschriften besiegelt, nicht per Handschlag. Die beiden so unterschiedlichen Funktionslogiken von Familie und Unternehmen beeinflussen sich gegenseitig und bestimmen somit die charakteristischen Eigenarten des Familienunternehmens.

Genau diese Koppelung der Logiken ist es auch, die zu Gesellschafterstreitigkeiten führt, die Unfrieden in die Unternehmerfamilie bringt, Generationenkonflikte schürt, etc. Und ebenso ist es auch wiederum diese Koppelung, die zum besonderen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem nach dem Prinzip des Shareholder-Value-Ansatzes geführten Unternehmen werden kann, da die Familie des Familienunternehmens oft Werte vermittelt, die über die kurzfristigen finanziellen Gewinnerwartungen und -versprechen hinaus sinnstiftend für das Unternehmen wirken können. „Für die Familienunternehmen gibt es die Alternative ‚Markt‘ oder ‚Wert‘ nicht. Sie sagen: beides.“ Anders als vielfach gefordert, ist aus dieser Sicht keine möglichst baldige und weitgehende Trennung von Familie und Unternehmen, sondern gerade die positive Interaktion beider Systeme zur Herstellung von Synergieeffekten und entsprechenden Wettbewerbsvorteilen anzustreben.

2. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND ERFOLGREICHER

Denn sie haben eine Familie an ihrer Seite! Vertrauen, Bindung und Loyalität bieten dem Familienunternehmen enorme Wettbewerbsvorteile. Es muss gelingen, die Familie als Ressource im Dienste des Unternehmens zu nutzen. Im Zweifelsfall gilt: „Das Unternehmen geht vor!“

Familienunternehmen sind in vielerlei Hinsicht erfolgreicher als Nicht-Familienunternehmen. Die Co-Evolution von Unternehmen und Familie fokussiert das Ziel einer langfristigen, generationsübergreifenden, wechselseitigen Existenzsicherung. Die Eigentümerfamilie sieht das Unternehmen oftmals als ein zentral übergreifendes Lebensthema, das über die eigene existenzielle Absicherung hinaus eine Herausforderung darstellt, sich immer wieder neu zu organisieren und gemeinsamen Sinn, gewissermaßen „Kon-Sens“ zu finden. Dies erfordert auf Dauer, dass sich die Familie aktiv oder passiv am Unternehmen beteiligt. Das Unternehmen wiederum kann die Familie in vielfältiger Art und Weise nutzen.

Das einzigartige Bündel von Ressourcen und Fähigkeiten, das die Verbindung von Unternehmen, Familie und Eigentum bereitstellt, wird als „Familienfaktor“ bezeichnet, bzw. die Gesamtheit der Familienfaktoren als „Familyness“. Familienfaktoren können sich in den unterschiedlichsten Ressourcen finden, beispielsweise:

Werte:

Familiäre Werte wie Vertrauen, Bindung und Loyalität können dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile bieten, z. B. durch ausgeprägte persönliche Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, starke Kundenorientierung, hohe Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter.

Entscheidungen:

Die weitaus kürzeren Entscheidungswege und die häufigeren mündlichen Entscheidungsstrukturen ermöglichen eine hohe Flexibilität und Geschwindigkeit in Entscheidungen und damit geringere Transaktionskosten bzw. verbunden mit dem Faktor Vertrauen auch geringere Agency-Kosten.

Humankapital:

Die Familie kann einen Pool besonderen Wissens und besonderer Fertigkeiten bereitstellen, die sie ausschließlich dem Unternehmen zur Verfügung stellt.

Finanzstrategien:

Eine konservative Geldpolitik fördert langfristige finanzielle Strategien. Die Renditeerwartung der familiären Anteilseigner liegt i. d. R. deutlich unter der im Shareholder-Value-Denken üblichen, zudem sind die Familienmitglieder im Krisenfall eher bereit, weiteres Privatvermögen bereitzustellen.

Netzwerke:

Die Langfristigkeit und Bindungsfähigkeit von Familien zeigt sich auch in der Qualität der entstandenen Netzwerke, die oft freundschaftlichen Charakter haben und dadurch sehr tragfähig sind.

Branding:

Nicht zuletzt ist oft der Name der Firma, der mit dem der Familie identisch ist, ein enormes Identifikationssymbol – sowohl für das Produkt als auch für die Mitarbeiter: Dazugehören hat einen hohen Wert in sich.

Gelingt es, die umspannende und vielfältige Verbindung von Unternehmen, Familie und Eigentum mit den damit verknüpften Problemstellungen und Konflikten handhabbar zu machen, besitzen Familienunternehmen im Gegensatz zu NichtFamilienunternehmen den ganz entscheidenden Vorteil. Wenig überraschend konnte so im letzten Geschäftsjahr von den 30 größten Familienunternehmen im Vergleich zu den 30 DAX-Unternehmen ein fast doppelt so hohes Umsatzwachstum (+ 9,7 % gegenüber + 5,4 %) erzielt werden. Noch größer ist der Unterschied beim Beschäftigungszuwachs: Die großen Familienunternehmen stellten mit 9,2 % mehr Beschäftigte ein als die DAXVertreter (1,6 %). Es ist die Familie, die den förderlichen „FamilynessFaktor“ ins Unternehmen einbringt und der sich beispielsweise in einer besonderen Identifikation mit dem Unternehmen zeigt, die auch NichtFamilienmitglieder vielfach mit einbeziehen kann. Um diese Qualitäten zu erreichen, bedarf es jedoch spezieller Managementformen, da jedes Familienunternehmen seine ganz eigene Prioritätensetzung hat, wenn es um die Balance von Familienund Unternehmensinteressen geht. Viel zu wenig wird bislang von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, eine Regelung der wechselseitigen Interessen durch eine Familienverfassung vorzunehmen, die etwa die Rolle der angeheirateten Familienmitglieder und anderer eintretender Familienangehöriger regelt, Familienkonferenzen und De-Eskalationsregelungen bei Familienkonflikten definiert sowie ethische Grundsätze formuliert.

3. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND GEFÄHRDETER

Denn sie haben eine Familie an ihrer Seite! Familienstreitigkeiten, Vertrauensverlust, enttäuschte Bindungen und Gefühle verratener Loyalität können dramatisch auf das Unternehmen durchschlagen, das Unternehmen kann zum Opfer von Stammeskriegen werden. Die Gleichzeitigkeit der Mitgliedschaft in der Familie und im Unternehmen setzt die Beteiligten einem Spannungsfeld aus, das von Widersprüchen gekennzeichnet ist und sie so verletzlich macht.

How conflict is managed is one of the key determinants of effective families and family business“. Familienunternehmen verfügen nicht nur über potenzielle Wettbewerbsvorteile, sie sind zugleich auch gefährdeter als andere Unternehmenstypen.

So kann sich ‚Familyness‘ nicht nur als Vorteil erweisen, sondern auch hinderlich sein. Die Koppelung der Systeme Unternehmen, Familie und Eigentum baut ein Spannungsfeld auf, das man als paradox bezeichnen kann. Eine Entscheidung, die in der Logik des einen Systems richtig ist, ist in der Logik des anderen falsch. Dieses gilt z. B. bezüglich der Begriffspaare ‚familiär gerecht – unternehmerisch richtig‘, ‚Tradition – Innovation‘, ‚personenbezogen – sachbezogen‘, ‚Eigentümer – Shareholder‘, usw. Es ist diese Widersprüchlichkeit, die die Akteure im Konfliktfall so verletzlich macht. Familienunternehmen haben es nicht nur mit verschiedenen ‚Konfliktarenen‘ und ‚Konfliktreichweiten‘ zu tun, sondern mit grundsätzlich unterschiedlichen Konfliktarten. Die Bindungen der Familienmitglieder untereinander sind in der Regel sehr stark, weshalb sich Streitigkeiten innerhalb des Familiensystems zu besonderer Heftigkeit steigern können. Bei den Betroffenen kann es zu sehr intensiven Gefühlen kommen, wenn sich der Einzelne in seiner Loyalität, in seinem Vertrauen, in seinem Gerechtigkeitsgefühl und letztlich in seinen Beziehungen enttäuscht fühlt. Überschreiten die Familienstreitigkeiten die Grenze zum Unternehmen, so kann dieses zum Opfer des Familienzwists werden. Besonders ausgeprägt ist dies, wenn sich die über Generationen hinweg aufgebauten und nicht konstruktiv ausgetragenen Konflikte zwischen Geschwisterstämmen zu ‚Stammeskriegen‘ ausweiten.

Ein anderes Feld, in dem sich die Konstellation ‚Familie – Unternehmen‘ sehr verletzlich zeigt, ist die Unternehmensnachfolge. Ganz gleich, ob es sich um interne (durch ein Familienmitglied) oder externe Unternehmensnachfolge handelt, das Thema ‚Mangel an Nachfolgewilligen‘ scheint nach wie vor brisant zu sein. Neuesten Ergebnissen zufolge sind bei rund 43 000 Unternehmen in Deutschland 150 000 Arbeitsplätze durch schwierige Unternehmensnachfolge gefährdet. Trotz weit reichender Unterstützungsangebote (z. B. durch Gründungsnetzwerke etc.) ist es für viele Familienunternehmen nach wie vor schwierig, die Unternehmensnachfolge glücklich zu regeln. Der Wunsch der Vorgängergeneration ist in der Regel sehr hoch, das Unternehmen in die Hände des eigenen Nachwuchses und nicht in fremde Hände zu legen, was jedoch immer seltener zu gelingen scheint. Dies mag u. a. daran liegen, dass sich alle Beteiligten mit vielfach paradoxen Situationen konfrontiert sehen. Damit ist eine emotionale Situation gemeint, in der es keine allein richtige Lösung gibt und man sich ‚nur noch falsch‘ verhalten kann. Äußert beispielsweise der Vater den Wunsch, der Sohn möge sich in seiner Berufswahl frei entfalten und den eigenen Weg suchen, und vermittelt er ihm gleichzeitig, wie wichtig es für ihn persönlich ist, nicht enttäuscht zu werden und im Sohn den idealen Nachfolger zu haben, kann dies als Zwickmühle erlebt werden, die etwa die Form hat: „Entscheide Dich freiwillig für die Lösung, die ich mir wünsche!“ Aber auch das Gegenteil kann ein Aspekt hinderlicher Familyness sein, wenn der Eigentümer im hohen Alter nicht den Weg findet, das Unternehmen auf angemessene Weise loszulassen und zu übergeben, während sich gleichzeitig die nachfolgende Generation in einer zermürbenden und demoralisierenden Warteposition befindet.

In kritischen Situationen, vor allem wenn keine Governance-Regeln bestehen, sind Familie und Unternehmen oft mit zwei möglichen Prinzipien konfrontiert: ‚Family first‘ oder ‚Business first‘. Wie Studien zur Langlebigkeit von Familienunternehmen zeigen, ist die letzte Strategie nachhaltiger. Mit ihr wird den Interessen des Unternehmens absolute Priorität vor allen weiteren eingeräumt, z. B. wenn bei Anstellung, Honorierung und Beförderung von Familienmitgliedern die Familienzugehörigkeit nicht den alleinigen Maßstab stellt. Dabei geht es jedoch auf keinen Fall darum, die Familie zu vernachlässigen bzw. aus dem Unternehmen herauszudrängen. Daher wird oft auch eine ‚Family Business first‘ Strategie vertreten. Ihre Aufgabe ist es, im Dialog in und mit der Familie die Unternehmensinteressen zu verdeutlichen, Prioritäten auszuhandeln und sich gemeinsam auszurichten. Die Klugheit dieses Vorgehens liegt darin, nicht die Interessen der einen Seite gegen die Interessen der anderen Seite auszuspielen. Vielmehr geht es um das Zurückstellen der Familieninteressen in dem Wissen, dass auch diese wieder auf längere Sicht betrachtet von diesem Denken profitieren wird.

4. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND (POTENZIELL) INTELLIGENTER

Leichter als börsennotierte Konzerne können sie sich frei machen von einer unternehmerisch oft schädlichen Logik kurzfristiger Gewinnorientierung. Auch können sie sich breit diversifiziert positionieren – ein Umstand, für den börsennotierte Unternehmungen einen Kursabschlag erhalten, obgleich er die langfristige Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht.

Während sich kaum ein börsennotierter Großkonzern der kurzfristigen Gewinnorientierung seiner Aktionäre entziehen kann, haben es Familienunternehmen leichter, sich von der Logik eines Shareholder-Value-Denkens zu befreien.

Dies allein macht das Unternehmen noch nicht erfolgreicher, es eröffnet ihm aber eine gewisse Vielfalt strategischer Optionen, beispielsweise im Umgang mit der Dimension ‚Zeit‘. Der Erfolg einer Familie liegt, wenn man diesen auf das Wesentliche verkürzt, in der Weiterexistenz über Generationen. Dieses Denkprinzip wird in Familienunternehmen oftmals auf das dazugehörige Unternehmen übertragen. Weniger kurzfristige Profite, sondern langfristig angelegtes, kontinuierliches Wachstum ist gefragt; weniger die riskanten Investments werden getätigt, eher die Sicherheit versprechenden. Mit einer Familie, die den Großteil der Anteile eines Unternehmens hält, verschieben sich die Erfolgs- und damit auch die Bewertungskriterien so gut wie aller unternehmerischen Entscheidungen.

Immer wieder wird gefragt, inwieweit die zu treffende Entscheidung einen Beitrag zur langfristigen Weiterexistenz liefert. Auf diese Weise können Familienunternehmen (vorausgesetzt, die finanzielle Basis ist vorhanden) über Jahrzehnte an Geschäftsfeldern festhalten, selbst wenn sie über längere Zeit nur geringen Profit abwerfen. Springt dann die Branchen-Konjunktur wieder an, erweist sich dieses Festhalten als hochprofitabel. Da das Denken über einzelne Konjunkturzyklen hinausgeht, werden im Unternehmen vorhandene Kompetenzen gepflegt und dann kann eine Krise womöglich noch zum Ausbau der Marktposition genutzt werden, statt in den Untergang zu führen.

Diese Strategie der Langfristigkeit geht oft einher mit einer Strategie der Diversifikation: Familienunternehmen positionieren sich häufig breit am Markt und erreichen über Diversifikation eine ganz besondere Form der Risikostreuung. Erst die bewusste Investition in mehrere nicht-synergetische Geschäftsbereiche ermöglicht es den Unternehmen, einzelne Branchentiefs zu überdauern. Auf lange Sicht erweisen sich immer wieder andere Bereiche als Renditezugpferde. Bei Familienunternehmen führt dies in der Regel und im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen zu einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Aspekt: Eine auf langfristige Beziehungsbildung angelegte Familie beeinflusst die Einstellungen auch im Hinblick auf andere Faktoren: Durch das Interesse an langjähriger Weiterbeschäftigung des Personals sichern sich Familienunternehmen auch gegenüber Wissensverlusten ab.

Neben reinem Fachwissen kann so wertvolles Erfahrungswissen an intern geförderte und nachrückende Führungskräfte weitergegeben und damit auf die Verknappung des Arbeitskräfteangebotes reagiert werden. Überdies wird die Abwanderung wertvollen Personals zur Konkurrenz verhindert (siehe auch die Thesen 6 und 7). Durch den Aufbau langfristiger Perspektiven für die Gesellschafter macht sich das Unternehmen frei von überzogenen Renditeerwartungen der Eigentümer und ist auf diese Weise in der Lage, die erwähnten Strategien intelligent umzusetzen.

5. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND FINANZIELL ANDERS AUFGESTELLT

Familienunternehmen sind vorsichtiger in der Inanspruchnahme von Fremdkapital und stärker an finanzieller Eigenständigkeit interessiert. Im Bedarfsfall gelingt es ihnen jedoch auch schwerer als Großkonzernen, Fremdkapital zu generieren. Darüber hinaus sind sie von den in der Nachfolge zu zahlenden Erbschaftssteuern betroffen.

Mit der Finanzierung ist ein Kernthema der Unternehmensführung angesprochen. Dies ist bezogen auf das Familienunternehmen von besonderer Bedeutung, weil in so gut wie allen Finanzierungsfragen die Informationsinteressen eines potenziellen Kapitalgebers mit den Verschwiegenheitsinteressen eines Unternehmens kollidieren.

Ein Blick auf Statistiken zur Eigenkapitalquote zeigt nun, dass diese bei deutschen Unternehmen im Durchschnitt weit geringer ist als in anderen europäischen Ländern und den USA. Das Kernproblem der hiervon besonders betroffenen kleinen und mittelgroßen Unternehmen ist aber nicht allein die relativ geringe Eigenkapitalquote, sondern das damit einhergehende Abhängigkeitsverhältnis.

Sofern es nicht möglich ist, Wachstum allein aus dem Cashflow zu finanzieren, müssen Familienunternehmen den Widerspruch zwischen unternehmerischer Autonomie und Abhängigkeit von Kapitalgebern managen. Dieser Widerspruch wurde in der Vergangenheit auf zwei Arten aufgelöst: Man hatte eine Bank des Vertrauens, die Wachstum und Innovation finanzierte, oder man pflegte einen vorsichtigen Umgang mit Kapitalgebern und verzichtete bewusst auf zu starkes Wachstum.

Insbesondere die durch die Bankenaufsicht vorgeschlagenen und bereits jetzt schon in Kraft getretenen Eigenkapitalvorschriften nach Basel II sowie die in den letzten Jahren eingetretene unsichere Marktsituation haben viele große Banken veranlasst, sich aus der Finanzierung des Mittelstands (womit Unternehmen mit einer Umsatzgröße von unter 50 Mio. Euro Jahresumsatz und mit weniger als 500 Mitarbeitern gemeint sind) eher zurückzuziehen.

Diese anfängliche (über-) Reaktion, von der sich viele Banken inzwischen wieder verabschiedet haben, hat nicht selten bei Familienunternehmen das Vertrauen in die Banken nachhaltig beeinträchtigt und sie – anfangs eher notgedrungen – veranlasst, sich neue Finanzierungsformen, beispielsweise im Private-Equity Bereich, zu suchen. Sowohl auf Seite des Eigenkapitals (z. B. Beteiligungen), des Fremdkapitals (z. B. Anleihen) oder auch bei Mischformen (sog. Mezzanine-Kapital) stehen vielfältige Optionen zur Verfügung. Wie gesagt, sind in diesem Sektor in gleichem Maße Chancen wie Risiken zu finden. Die öffentliche Diskussion wird stark bestimmt durch den kritischen Blick auf ausschließlich finanzwirtschaftlich ausgerichtete Finanzinvestoren, die Familienunternehmen mit Hilfe von Krediten kaufen und die Schulden anschließend dem gekauften Unternehmen aufbürden. Doch dem stehen zunehmend Beispiele langfristig orientierter Beteiligungsgesellschaften gegenüber, die das Ziel stabiler Wertschöpfung verfolgen und auf ein erfolgreiches Zusammenarbeiten über Jahrzehnte Wert legen.

Überdies sind Familienunternehmen im Gegensatz zu Nicht-Familienunternehmen (noch) von zu zahlenden Erbschaftssteuern betroffen. Von der Erbschaftssteuerreform 2007 wird hier eine merkliche steuerliche Entlastung von und für Familienunternehmen erwartet. Das im Koalitionsvertrag angekündigte Abschmelzmodell, welches vorsieht, dass die Erbschafts- oder Schenkungssteuer auf Betriebsvermögen über einen Zeitraum von 10 Jahren gestundet und für jedes Jahr der Betriebsfortführung in Höhe von einem Zehntel entlastet wird, soll insbesondere für klein- und mittelständischen Familienunternehmen die Möglichkeit eröffnen, Arbeitsplätze zu sichern und Neuinvestitionen vorzunehmen. Mit dieser steuerpolitischen Maßnahme wird der Versuch unternommen, eine Wettbewerbsgleichheit zwischen börsennotierten Publikumsgesellschaften und Familienunternehmen herzustellen. Ob dieser Brückenschlag gelingt, wird die Gesetzesausgestaltung auf der Detailebene bestimmen.

6. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND LANGFRISTIGER ORIENTIERT

Sie halten (länger) fest an ihren Gründungsmythen, bewährten Geschäftsprinzipien, gewachsenen Kunden- und Lieferantenbeziehungen und vor allen an ihren Mitarbeitern, was sich positiv auf die Entwicklung von Kernkompetenzen und Vertrauensressourcen auswirkt. Dieses Festhalten kann es zugleich schwerer machen, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren.

Familienunternehmen halten teils über mehrere Generationen hinweg an Gründungsmythen oder Entscheidungsprämissen fest, die bereits in den Vorgängergenerationen erzählt wurden oder galten. Überlieferte und bewährte Geschäftsprinzipien werden vielfach an die neue Generation weitervererbt und erfolgreich weiter verwendet. Die vorliegenden Kunden- und Lieferantenbeziehungen etwa sind über viele Jahre vertrauensvoll gewachsen.

Dies ist nicht weiter verwunderlich, da es auch eine Folge der langfristigen Standortgebundenheit dieses Unternehmenstyps darstellt. Doch durch die stete Verringerung der ‚Halbwertzeit des Wissens‘ sind auch Familienunternehmen gezwungen, sich dem Innovationsdruck des Marktes zu stellen. Stellt das Festhalten an konstanten Beziehungen zwar zumeist im Hinblick auf die Weiter- und Fortentwicklung unternehmerischer Kernkompetenzen einen Wettbewerbsvorteil dar, kann jedoch genau diese Tatsache in einem immer dynamischer werdenden Unternehmensumfeld zum Problem werden.

Hier gilt es, das Spannungsverhältnis zwischen Kontinuität und Neuausrichtung auszubalancieren. Die Langfristigkeit der Bindungen zeigt sich auch im Verhältnis zu den Mitarbeitern. Sie können sich (einerseits) vertrauensvoll auf die Weitsicht von Familienunternehmen verlassen (‚Dauerarbeitsplatz‘) und stehen nicht ständig unter Kostenreduzierungsangst. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland 70 % aller Arbeitnehmer und 80 % aller Auszubildenden in klein- und mittelständischen Unternehmen tätig sind, haben diese Aspekte eine hohe gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Auch hier gibt es eine potenzielle Schattenseite, denn dieses Verhalten kann dazu führen, dass neue Mitarbeiter eher selten von außen in das Unternehmen hineingeholt werden, so dass ‚frisches Wissen‘ erst gar nicht den Weg ins Familienunternehmen findet.

Wird der Familienname als Marke verwendet, so hat er nicht nur für Externe einen hohen Wiedererkennungs- und Identifikationswert, sondern auch für die Mitarbeiter. Die Familie, wenn sie die eigenen Werte glaubwürdig durch Übereinstimmung von Denken, Sprache und Handeln vermittelt und Transparenz gegenüber allen Organisationsbeteiligten schafft, bekommt eine besondere Ressource von den Mitarbeitern zurück: Vertrauen und damit das Fundament für eine vertrauensbasierte Unternehmenskultur. Langfristigkeit ist vielfach zugleich mit einer engen Bindung an die Region verbunden, in der ein Familienunternehmen tätig ist – und das hat wiederum Auswirkungen auf die Unternehmenskultur: „If you’re really rooted in that community, it’s going to have a big impact on the way you are“. Die regionale Verankerung zeigt sich in einer besonderen Bereitschaft, Verantwortung für soziale und gesellschaftliche Belange zu übernehmen. Ihre Wertorientierung veranlasst sie, akute soziale Missstände aufzugreifen und ihnen abzuhelfen. Nicht selten ist dabei die gleiche unternehmerische Energie zu beobachten, die sie auch im Geschäft kennzeichnet: Gelegenheiten werden wahrgenommen und genutzt. So stellen Familienunternehmen eine besondere Form von Präsenz in der Region her, aus der sie kommen und in der sie verwurzelt sind.

7. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND FAMILIÄRER

Sie übertragen familiäre Beziehungsmuster auf Führungskräfte und Mitarbeiter. So erfährt deren Tätigkeit eine höhere Sinnstiftung, auch die Identifikation mit dem Unternehmen wird gesteigert: Man gehört dazu! Von diesen ,emotionalen Zusatzausschüttungen‘ profitieren Unternehmen wie Mitarbeiter.

Starke Loyalitätsbeziehungen, Gefühle von Dankbarkeit und Liebe zwischen den Familienmitgliedern können eine enorme Ressource für das Unternehmen darstellen. Damit diese Werte positiv eingesetzt, über Generationen hinweg etabliert und nachhaltig gesichert werden können, bedarf es eines guten Familienmanagements.

Dazu gehört, mit dem Unterschied zu rechnen, den ein Unternehmen für eine Familie bedeuten kann und die Familie als Unternehmerfamilie zu organisieren. Ist der nahe Bezug unter den Familienmitgliedern in der Kleinfamilienstruktur eines Familienunternehmens der ersten oder zweiten Generation noch selbstverständlich, wird dieses bei Familienunternehmen ab der dritten Generation immer unwahrscheinlicher und muss vor allem, wenn das Unternehmen als ‚Stammesorganisation‘ aufgestellt ist, aktiv aufrecht erhalten bzw. immer wieder hergestellt werden.

Mit jeder neuen Generation nimmt die trennende ‚Fliehkraft‘ durch die jeweils neu gegründeten Kernfamilien zu, die Bindung im ‚Cousin-Konsortium‘ nimmt im Vergleich zur Geschwisterbindung erkennbar ab. Es muss dafür gesorgt werden, dass trotzdem auch entfernte Verwandte eine gemeinsame Identität zur Unternehmerfamilie entwickeln. Vor allem muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Konstellation kommt, in der die Loyalität zum Stamm höher bewertet wird als die zum Unternehmen gesamt.

Erfolgreiche Mehrgenerationen-Familienunternehmen behandeln daher die Großfamilie auf ganz besondere Weise, in dem sie immer wieder kleinfamiliale Strukturen neu erzeugen, auf vielen Ebenen Kontakt- und Beziehungsmöglichkeiten bereitstellen und so dem Wegfall des Familiensinns vorbeugen. Auf der Eigentümerseite führt dies zu einer Konzentration auf gemeinschaftliche (und nicht auf Einzelinvestoren-) Interessen. Ebenfalls wird durch kluge Governance-Regelungen einer Blockierung von Entscheidungen oder einem Ausverkauf der Gesellschafteranteile vorgebeugt. Das Unternehmen verschafft sich durch die Aufrechterhaltung des Familiensinns neue Innovationskraft. Obgleich familienfremde Mitarbeiter in Familienunternehmen den hier beschriebenen Familiensinn und die enge Bindung zur Eignerfamilie sehr schätzen, kann dies in Bezug auf ihre Karrierewege auch negative Auswirkungen haben, vor allem, wenn der eigene berufliche Aufstieg verhindert wird. Dies ist dann der Fall, wenn unabhängig von dem Faktor ‚Kompetenz‘ junge Familienmitglieder und Gesellschafter in Führungspositionen gehievt werden. Hier hat es sich bewährt, Familienmitglieder nur dann in das Unternehmen zu holen, wenn sie mindestens so gut geeignet sind wie Familienfremde.

8. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND UNTERNEHMERISCHER

Ein besonderer Gestaltungswille, das Streben, etwas Dauerhaftes zu schaffen, die Orientierung am Kunden und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, prägen das Familienunternehmen. Je kleiner dies ist, desto eher hängt dessen Entwicklung von der Führungsstärke, Innovationskraft und unternehmerischen Weitsicht einer einzigen Person ab – mit allen Vor- und Nachteilen: kurze Entscheidungswege, aber auch starke Umbrüche im Nachfolgeprozess oder beim plötzlichen Ausfall der prägenden Führungspersönlichkeit.

Je kleiner ein Familienunternehmen ist, desto mehr bündelt sich die Führungsverantwortlichkeit und -stärke, die Innovationskraft sowie die unternehmerische Weitsicht nur in einer einzigen Person.

Hier ist der Inhaber die Seele des Unternehmens und gleichzeitig treibende Kraft. In vielen Familienunternehmen lässt sich daher auch heute noch eine Unternehmenskultur finden, die dem Bild des Pioniers der Gründerzeit entspricht. Häufig ist die Identifikation der einzelnen am Familienunternehmen aktiv beteiligten Personen besonders hoch, woraus oft ein erhöhter Arbeitseinsatz und der Wille zur Expansion des Unternehmens entstehen. „Per aspera ad astra“ – „nur über einen steinigen Weg kommt man zum Erfolg“, so könnte man die (hier frei übersetzte) grundlegende Maxime in Familienunternehmen betiteln.

Wo bei Nicht-Familienunternehmen Grenzen der Leistungsbereitschaft bestehen, setzen sich mitarbeitende Familienangehörige (aber auch Mitarbeiter) in Familienunternehmen leicht darüber hinweg. Insbesondere in sehr traditionell geführten Familienunternehmen kann man an der Positionierung der Frau eines Unternehmers erkennen, wie diese eine herausragende Rolle bei der Ausbalancierung der Innen- und Außenorientierung von Familie und Unternehmen spielt und somit auch in kritischen Situationen das „Wir“ zusammenhält. Die meisten Familienunternehmen haben dabei erkannt, dass die unterschiedlichen Logiken von Familie und Unternehmen einer besonderen Auseinandersetzung bedürfen.

So spielen Frauen in der Unternehmensführung zwar generell in Deutschland noch immer eine eher geringere Rolle als Männer; in der eigenen Führungspositionierung im Familienunternehmen jedoch sind sie sehr erfolgreich. Flache Hierarchien ermöglichen darüber hinaus in solchen Unternehmen kurze Entscheidungswege, umständliche Warteschleifen werden vermieden. Dies wissen insbesondere die Kunden, aber auch Lieferanten und Mitarbeiter zu schätzen. Doch die starke unternehmerische Orientierung, die an eine starke Persönlichkeit gebunden ist, weist auch eine Schattenseite auf. Kritisch kann diese Situation nämlich bei eintretenden Krisensituationen werden. Alle genannten Vorteile können sich ins Gegenteil drehen, wenn beispielsweise der Unternehmer akut ausfällt, sei es durch Krankheit, Unfall oder Tod, Zahlungsschwierigkeiten und Insolvenzbedrohung oder wenn ein unglücklich verlaufender Nachfolgeprozess das Unternehmen sozusagen ‚kopflos‘ werden lässt. Oft ist auch zu beobachten, dass eine Person, die über viele Jahre das Unternehmen geprägt hat, gegen Ende ihres Berufslebens nicht mehr das Gespür für den Markt hat, das sie so lange Zeit ausgezeichnet hat. An der Frage, ob die unternehmerische Kraft zu sehr und zu lange auf die eine zentrale Figur konzentriert war, oder ob die Grundsätze unternehmerischen Handelns im Entwicklungsprozess des Unternehmens bewusst weitergegeben und institutionalisiert wurden, kann sich das Schicksal des Unternehmens entscheiden.

9. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND BERATUNGSRESISTENTER

Familien achten auf ihre Grenzen – und genauso wie sie sich im Privatbereich Fremden nicht bereitwillig öffnen, gehen sie auch in unternehmerischen Fragen davon aus, dass Probleme innerhalb der Familie gelöst werden sollten. Dies erklärt durchaus zum Großteil ihren Erfolg, doch hat auch diese Haltung ihre „Risiken und Nebenwirkungen“, nämlich dann, wenn durch externe Beratung neue Möglichkeiten eröffnet werden könnten.

So wie Familien ihre eigenen Grenzen ziehen und ihre Privatheit gegenüber der Öffentlichkeit schützen, so versuchen oftmals auch Familien von Familienunternehmen, die im Unternehmen auftretenden Probleme innerhalb der Familie selbst zu lösen (siehe hierzu auch die dritte These).

Die Vermischung der Spielfelder Familie und Unternehmen lässt sich durch die gleichzeitige personelle Identität von Familienmitgliedern und Mitarbeitern der Firma erklären. Besteht innerhalb der Familie eine Strategie (Regel), wie und in welcher Weise angemessen mit unternehmerischen Problemen umgegangen werden soll und externer Rat geholt wird, so zeigt sich auch hier wieder ein Erfolgsmuster von Familienunternehmen. Der Eigenantrieb zur Konfliktlösung innerhalb der Familie erfüllt jedoch leider nicht immer seine Funktion als Schutzmechanismus. Nicht selten werden eigentlich rational zu fällende Unternehmensentscheidungen durch heftige emotionale Auseinandersetzungen gefährdet, die alle Beteiligten an ihre Grenzen führen können. Vor dem Hintergrund der anfangs skizzierten Spannungsfelder zwischen Familie und Unternehmen sind solche Eskalationen von Streitigkeiten keine Seltenheit.

Die Konflikte können innerhalb der Familie, zwischen Familienstämmen, zwischen Übernehmenden und Übergebenden, zwischen Groß- und Kleinaktionären und zwischen Eignern und Fremdmanagement auftreten und immensen Gefühls und auch Wirtschaftsschaden verursachen. Nicht umsonst werden Familienstreitigkeiten in Familienunternehmen als die „größten Wertvernichter in der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet.

Trotz zum Teil dramatischer Eskalationen und sich über lange Jahre hinziehender Gesellschafterkonflikte zögern Familienunternehmen oft lange, ehe sie sich Unterstützung holen. „Wie es drinnen aussieht, geht niemand etwas an.“ – Ob Unternehmens- oder Bankberatung, es wird Zurückhaltung geübt. So werden ‚weak signals‘ ignoriert, Krisenlagen verschärft und selbst bedrohliche Veränderungen, wie z. B. Liquiditätsnot ausgeblendet, wie die Analyse vieler Insolvenzfälle von Familienunternehmen zeigt. Während nach Außen der Schein gewahrt wird, zieht die Krise innerhalb der Familie alle Aufmerksamkeit auf sich. Hat sich die Krise erst einmal manifestiert, so gerät auch das Verhältnis zwischen familiären und unternehmerischen Interessen aus dem Gleichgewicht – alte Konflikte brechen wieder auf, Vorwürfe werden erhoben, wer ‚eigentlich‘ verantwortlich ist. Es setzt sich also eine Spirale in Gang, die nur ganz schwer intern wieder gestoppt werden kann. Die Gesellschafterkonflikte behindern die Unternehmensentwicklung, wie auch eine angespannte Unternehmenssituation der Familie zusätzlich zu schaffen macht.

Im schlimmsten Fall bleiben das Unternehmen und die Familie auf der Strecke. Wird die Situation sehr bedrohlich, kann eine Insolvenzkrise manchmal noch durch Rückgriff auf Bekanntennetzwerke und auf die Opferbereitschaft der Familie abgefangen werden – dann hat sich die ‚Familyness‘ noch einmal als Rettungsanker bewährt. Doch bleibt jenseits dieser Überlegung nach wie vor die Tendenz vieler Familienunternehmen bestehen, eine zu feste Außengrenze um sich und das Unternehmen zu ziehen und sich zu spät um Unterstützung zu kümmern – ein ausgesprochen kritischer Aspekt dieser Unternehmensform! Eines sollte jedoch bei aller Kritik an der Beratungsresistenz nicht vergessen werden: Viele Familienunternehmen sind erfolgreich geworden, gerade weil sie sich nicht haben beraten lassen, gerade weil sie Beraterempfehlungen nicht gefolgt und stur ihrer Linie gefolgt sind. Sie sind also in ihrer Historie bestärkt worden, eine kritische Haltung gegenüber externen Ratgebern einzunehmen.

10. THESE: FAMILIENUNTERNEHMER SIND LANGLEBIGER

Familienunternehmen weisen eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und Langlebigkeit auf. Sie sind ein Erfolgsmodell, solange sie in der Lage sind, die Paradoxien zu managen, die sich aus der Koppelung von Familie und Unternehmen ergeben. Immer wieder gilt es, eine Balance zu finden, so dass nicht einseitig Familien- oder Unternehmensinteressen bedient werden. Gelingt die Balance zwischen beiden, kommen die einzigartigen Ressourcen dieser Unternehmensform voll zum Tragen.

Der Erfolg von Familienunternehmen und ihre Langlebigkeit widersprechen zunächst einmal allen Erwartungen traditioneller Betriebswirtschaft. Diese geht davon aus, dass die Einmischung der Familie in geschäftliche Interessen nur zur Verwirrung und damit eher zu einer Gefährdung von unternehmerischer Tätigkeit führt.

Doch genau dieses unorthodoxe Vorgehen ist es, welches Familienunternehmen charakterisiert und über ihren Erfolg oder auch Misserfolg bestimmt. Familienunternehmen sind dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, spezifische Widersprüche zu managen. Der Begriff ,Paradoxie‘ als spezielle Form des Widerspruchs wurde bereits angesprochen. Paradoxien sind widersprüchliche Verhaltenserwartungen, die sich daraus ergeben, dass die Mitglieder eines Familienunternehmens immer gleichzeitig zur Familie und zum Unternehmen gehören. Nicht immer sind diese beiden Systeme klar getrennt – im Gegenteil, viel häufiger ist es unklar, als welche Person man gerade spricht, wer man gerade ‚ist‘ – Vater oder Unternehmer, Tochter oder Nachfolgerin. Die gleichzeitige Mitgliedschaft in Familie und Unternehmen führt zu einigen Widersprüchen, denn „als Sozialsysteme könnten Familie und Betrieb unterschiedlicher gar nicht sein.“ Ein besonderer Widerspruch liegt im Prinzip der Gleichheit, dem sog. ‚Gerechtigkeitsparadox‘. In der Logik der Familie sollten alle Familienmitglieder möglichst gleich und gerecht behandelt werden – und auch wenn jeder weiß, dass dies nicht in letzter Konsequenz möglich ist. Ist in der Familie Gleichheit das Leitmotiv für Gerechtigkeit, gibt es in der Logik des Unternehmens ein deutlich anderes Bild davon.

Hier steht nicht Gleichheit, sondern Kompetenz, Leistung und Verantwortung im Vordergrund. Ist es nach Familienlogik gerecht, dass jedes Familienmitglied eine Stellung im Unternehmen erhält, geht es in der Unternehmenslogik bei der Führungsnachfolge darum, über Leistungserbringung den oder die Beste(n) zu selektieren und damit die Kontinuität des Unternehmens zu sichern. An dieser Stelle wird wieder die Bedeutung eines sorgfältigen Paradoxie-Managements deutlich: Man muss das Spannungsverhältnis beider Logiken erkennen, aushalten und eine Lösung finden, die unternehmerisch und familiär anschlussfähig ist. Die Paradoxien lassen sich nicht auflösen, jedoch durch Verstehen entkräften. Ein aktiv betriebenes Familienmanagement, die Suche nach einem ganz eigenen Weg der Entparadoxierung, die Aufdeckung von Tabus, die Konfrontation mit Konflikten sowie die Auseinandersetzung des Unternehmers mit seinen ängsten, Wünschen oder Zielen verschaffen unternehmens- und familienspezifische Vorteile. Mehrgenerationen-Familienunternehmen, die die kritische dritte Generation durch die Übertragung von bestimmten Entscheidungsmustern und Verhaltensritualen an die Nachfolgenden überwunden haben, haben dies erfolgreich demonstriert. Sie zeigen, dass es möglich ist, das Spannungsfeld Familie und Unternehmen konstruktiv zu gestalten und damit diese besondere Unternehmensform zu einer ganz elementare Kraftquelle werden zu lassen – über viele Generationen hinweg. Ob ein Familienunternehmen langfristig erfolgreich ist, lässt sich sicherlich nur annähernd voraussagen. Jedoch existieren einige Hinweise als Orientierungshilfen auf den Weg zum Erfolg, wovon nachfolgend einige benannt werden sollen. Beispielsweise müssen Familienunternehmen ihre partikularen Familien- und Eigentümerinteressen den Überlebensinteressen des Unternehmens unterordnen. Es gilt der ‚Family-Business first‘- Grundsatz.

Darüber hinaus sollte ‚professional ownership‘ betrieben werden, d. h. die Eigentümerfamilie muss ganz bewusst – wie die Organisation auch – gemanagt werden. Eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen erreicht man, wenn allen Familienmitgliedern und Gesellschaftern ein emotional getragenes Selbstverständnis als ein von der Familie angenommenes Mitglied der Eigentümerfamilie vermittelt wird. Dies kann zum Beispiel durch sich wiederholende Gelegenheiten geschaffen werden, auf denen sich die Familie gemeinsam trifft. Um dauerhaften Erfolg zu erzielen, bedarf es einer Unternehmensspitze, die mit ihrer Autorität auf die Einhaltung geschriebener wie verborgener Verhaltenskodizes achtet. Eigentumsstreitigkeiten und die damit verbundenen juristischen Auseinandersetzungen müssen durch bereits etablierte und von allen akzeptierte Konfliktlösungsmechanismen verhindert werden.

SCHLUSSBETRACHTUNG

Familienunternehmen sind weder Auslaufmodell noch selbstverständlicher Erfolgstyp, sondern durch eine spezifische Janusköpfigkeit gekennzeichnet, die sich jeweils in förderlicher und hinderlicher ‚Familyness‘ zeigt. Ihr hoher Verbreitungsgrad und die Performance-Unterschiede zu Publikumsgesellschaften stellen dabei die Wissenschaft und damit auch das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) vor die Herausforderung, sich weiterhin intensiv mit den Besonderheiten dieser Wirtschafts- und Lebensform zu beschäftigen. Hierbei wird ein besonderer Blick auf die Unternehmerfamilie und ihr Verhältnis zum Unternehmen gesucht (aber auch umgekehrt). Eine Kernprämisse ist dabei, die Familie als potenzielle Ressource für das Unternehmen anzusehen, und nicht als Ballast, der möglichst bald abgeworfen werden sollte. Die Frage ist dann, wie man die Ressourcen, die ‚Familyness‘ als Gesamt der Familienfaktoren so organisieren kann, dass sie als kontinuierliche Qualität dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Hier bedarf es einer sorgfältig geplanten und durchgeführten Familienstrategie, um das Familienunternehmen über Generationen als wirtschaftliche und familiäre Organisationsform aufrecht zu erhalten.

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