Familienunternehmen
in der Gesellschaft


DAS RÜCKGRAT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT


Familienunternehmen bilden das Rückgrat der Wirtschaft und sind seit Jahrhunderten fest in der Gesellschaft verwurzelt. Die jeweilige Gesellschaft in der Familienunternehmen und Unternehmerfamilien eingebettet sind, ist erheblich durch kulturelle Normen und Werte geprägt, die sich jedoch regelmäßig durch politische Umbrüche anpassen. Beispielsweise sind Familienstrukturen in Indien völlig anders konzipiert als in China, in Lateinamerika anders als im Nahen Osten. Auch in Europa gibt es regionale Unterschiede. Wie genau können Familienunternehmen aus unterschiedlichen Regionen mit einander verglichen werden? Wie gelingen Kooperationen von Familienunternehmen aus unterschiedlichen Kulturkreisen? Wie haben sich die Perspektiven auf Familie, Privateigentum und Unternehmertum über die letzten Jahrhunderte verändert? Hierzu zählen insbesondere politische Rahmensetzungen im Wirtschaftssystem durch die Politik wie etwa die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Steuerbelastung, dem Arbeitsrecht, bürokratische Hürden, Verlässlichkeit stattlicher Institutionen. Die durch den Staat vorgegebenen Rahmenbedingungen prägen nicht nur die allgemeinen Kostenbelastungen am jeweiligen Standort, sondern bestimmen Entscheidungen zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens in der transgenerationalen Perspektive.

FAMILIENUNTERNEHMEN IN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT


Familienunternehmen sind ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft, insbesondere des Wirtschaftssystems. 91 Prozent aller privatwirtschaftlichen Unternehmen sind Familienunternehmen, sie stellen 57 Prozent der Arbeitsplätze und generieren 55 Prozent des Umsatzes. Das Engagement für die Beforschung der Unternehmensform „Familienunternehmen“ ist also immer auch eine Auseinandersetzung mit dem Prinzip der gelebten sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Als Forschungseinrichtung sehen wir es daher als eine zentrale Aufgabe an, dabei zu unterstützen, das Bild von Familienunternehmen in der Öffentlichkeit in ihrer Bedeutung für die gesamte Gesellschaft darzustellen. Auch die Stärkung der Rolle von Familienunternehmen in Politik und Gesellschaft sowie die Betonung deren Stellenwerts für die deutsche Wirtschaft und das Funktionieren des Systems der sozialen Marktwirtschaft gehören aus unserer Sicht dazu.

Für Wirtschaft und Gesellschaft ist es also von elementarer Bedeutung, dass die Besonderheiten und Bedürfnisse dieser Unternehmensform in der Entscheidungsfindung der Politik berücksichtigt werden. Aus diesem Grund steht das WIFU im regelmäßigen Austausch mit VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden. Zahlreiche Initiativen zeugen von diesem Engagement. So engagiert sich das WIFU beispielsweise im Rahmen einer Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium des Landes NRW für den Austausch von InteressenvertreterInnen aus Familienunternehmen und Politik. Bei den seit über 10 Jahren stattfindenden Veranstaltungsreihen stehen Diskussion und Vernetzung der beiden Gruppen zu unterschiedlichen Themen unter Moderation des WIFU im Mittelpunkt. Auch arbeitet das WIFU mit wichtigen Verbänden, wie beispielsweise dem BDI, regionalen IHKs oder Wirtschaftsförderagenturen, in Form von gemeinsamen Studien oder Veranstaltungen zusammen, um unser Wissen über Familienunternehmen und Unternehmerfamilien zu verbreiten. Außerdem bieten wir der interessierten Öffentlichkeit regelmäßig Möglichkeiten, einen Einblick in unsere Forschung und deren Ergebnisse zu erhalten. Sowohl im Rahmen der von der Universität Witten/Herdecke organisierten Bürgeruniversität als auch im Zuge unserer Ringvorlesung, können sich Interessierte über das WIFU und seine Forschungsinhalte informieren.

FAMILIENUNTERNEHMEN IN ANDEREN GESELLSCHAFTEN


Wenn es um die Betrachtung von Familienunternehmen bzw. Unternehmerfamilien in anderen Gesellschaften geht, steht zum einen die kulturelle und gesellschaftliche Prägung der Konstrukte „Familie“, „Unternehmen“ und „Recht“ sowie deren Einfluss auf die Entwicklung des Familienunternehmens im Vordergrund. Die Einbettung des Familienunternehmens in die lokalen soziokulturellen und historischen Gegebenheiten ist somit zentral für die Entwicklung einer internationalen Theorie des Familienunternehmens bzw. der Unternehmerfamilie.

Darüber hinaus umfasst die Forschung in diesem Bereich, die Betrachtung von Verhaltensweisen, Strategien und Prozesse, die ein stetiges Wachstum ermöglichen. Wachstum in internationalen Märkten entwickelt sich für viele Unternehmen immer mehr zu einem Pflichtbestandteil, um mit der steigenden Intensität des Wettbewerbs Schritt zu halten. Familienunternehmen stehen dieser Entwicklung in keiner Weise nach, wenn gleich auch unter anderen Voraussetzungen. Studien zeigen, dass Familienunternehmen über eine starke Risikoaversion gegenüber abstrakten Internationalisierungsstrategien verfügen, wenig erfolgreich bei der globalen Entdeckung von Möglichkeiten in internationalen Märkten agieren und stark auf die Abdeckung von lokalen oder einzelnen Märkten fokussiert sind. Internationalisierung findet meist im Verein mit der Internationalisierung bestehender Kunden statt, oder ergibt sich aus persönlichen Kontakten von Mitgliedern aus der Unternehmerfamilie. Dementsprechend zeigt sich, dass Familienunternehmen weniger stark auf die Internationalisierung ihrer Geschäfte als Ganzes ausgerichtet sind und dabei zusätzlich langsamer als Nicht-Familienunternehmen handeln. Gerade auf Grund dieser Problemlagen ist eine tiefergehende Erforschung der zentralen Einflussgrößen der Internationalisierung von Familienunternehmen unabdingbar, insbesondere in Hinblick auf mögliche Schnittstellen mit Themen des Internationalen Managements sowie den praktischen Implikationen aus Internationalisierungen von Familienunternehmen.

Das WIFU hat zahlreiche dieser international orientierten Forschungsprojekte ins Leben gerufen. Besonders hervorzuheben sind hier die Untersuchungen, die das WIFU zu Familienunternehmen und Unternehmerfamilien in Indien und China betreibt. In beiden Regionen werden die spezifischen Besonderheiten von Kooperationsbeziehungen mit deutschen Unternehmen, die lokalen Herausforderungen beim Thema der Nachfolge sowie Internationalisierungs- und Wachstumsstrategien untersucht. Für die Zukunft ist eine Ausweitung der Forschung in Bezug auf japanische Familienunternehmen geplant.

HISTORISCHE PERSPEKTIVE AUF FAMILIENUNTERNEHMEN


Familienunternehmen sind Konstrukte, deren Wachstum, Wandelbarkeit und Weiterbestehen nur unter Berücksichtigung der historischen Perspektive erklärt werden kann. Lange wurde dieser Unternehmensform seitens der Geschichtsforschung wenig Bedeutung beigemessen, vor allem auch, weil ihre dauerhafte Überlebensfähigkeit im kapitalistischen Zeitalter infrage gestellt wurde. Der historische Forschungszweig des WIFU greift das jüngere Bestreben der Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte auf und untersucht im Austausch mit der Familienunternehmensforschung die Besonderheiten von Familiengesellschaften sowie die in ihnen ablaufenden Prozesse und Entwicklungslinien, zum Beispiel im Hinblick auf die Nachfolge, um im Zeitverlauf Kontinuitäten, Muster oder Zäsuren zu erkennen und daraus Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Im Fokus der Wittener Forschungsprojekte stehen unter anderem folgende Fragen: Wie ist es langlebigen Familienunternehmen über Generationen hinweg gelungen, Krisenfestigkeit herauszubilden? Inwieweit lässt sich Resilienz – ähnlich wie Eigentum – vererben? Welche Rolle spielten Frauen der Unternehmerfamilie in der Historie? Inwiefern haben sich die Handlungsspielräume von Ehefrauen, Witwen und Töchtern in Familienunternehmen im Generationenverlauf verändert?

SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVE AUF FAMILIENUNTERNEHMEN


Familienunternehmen und Unternehmerfamilien sind für die unterschiedlichen Disziplinen der Soziologie, insbesondere für die Gesellschaftstheorie sowie jeweils für die Familien-, Organisations- und Wirtschaftssoziologie, äußerst interessante Sozialsysteme. Denn in diesen Systemen verbinden sich soziale Kontexte, die in der modernen Gesellschaft gemeinhin getrennt sind, nämlich private, familiäre und wirtschaftliche, organisatorische Zusammenhänge. Eigentümer und Eigentümerinnen von Familienunternehmen, die zugleich Mitglieder ihrer Unternehmerfamilien sind, erleben etwas, womit sich die Soziologie seit Anbeginn ihrer Entstehung als wissenschaftliche Disziplin befasst: mit der Frage, wie Individuen, durch ihre unterschiedlichen Rollen und sozialen Erwartungen als Personen geprägt werden und wie sie diesbezüglich Ambiguitäten aushalten und balancieren. Daher sind das Aufwachsen und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Unternehmerfamilien sowie das Erleben und Handeln speziell in der transgenerationalen Nachfolge Themen, die aus soziologischer Sicht beforscht werden. Schließlich können wir gesellschaftstheoretisch und wirtschaftssoziologisch untersuchen, welche besonderen sozialen Funktionen und gesellschaftlichen Leistungen Familienunternehmen und Unternehmerfamilien realisieren, etwa hinsichtlich der soziomoralischen Einbettung ökonomischen Handelns in modernen Marktgesellschaften.

FORSCHUNGSPROJEKTE


FAMILIENUNTERNEHMEN IN UNSERER GESELLSCHAFT

  • Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium NRW
  • Kooperation mit dem Schulministerium NRW

FAMILIENUNTERNEHMEN IN ANDEREN GESELLSCHAFTEN

  • Behavioral and Cultural Aspects of German, Indian and Chinese Family Firms
  • Familienunternehmen in Indien
  • Chinesische Familienunternehmen im kulturellen und sozialen Wandel

SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVE

  • Soziologie der Unternehmerfamilie
  • Systemtheorie der Unternehmerfamilie
  • Die „verdreifachte Familie“ – große Unternehmerfamilien als Familien, Organisationen und Netzwerke

VERANSTALTUNGEN


FAMILIENUNTERNEHMEN IN UNSERER GESELLSCHAFT

HISTORISCHE PERSPEKTIVE

SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVE

LITERATUR (AUSWAHL)


FAMILIENUNTERNEHMEN IN UNSERER GESELLSCHAFT

  • Artikel: Köllner, T. (2018): Ethnologie und Forschung zu Familienunternehmen: Plädoyer für eine Annäherung. In: Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie (FuS), Heft 04/2018, S. 154-159.
  • Artikel: Rüsen, T. (2014): Identitätswahrnehmung und Sinnstiftung – Was können Stiftungen von Familienunternehmen lernen? In: Stiftung & Sponsoring, Ausgabe 1/2014, S. 20-21.
  • Broschüre: Hier zu Hause. Weltweit vorne. Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen.

FAMILIENUNTERNEHMEN IN ANDEREN GESELLSCHAFTEN

HISTORISCHE PERSPEKTIVE

  • Artikel: Urban, T. (2018): Die Krisenfestigkeit der Unternehmerfamilie. Haniel, Stumm und der „doppelte“ Strukturwandel. In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte/Journal of Business History, Vol. 63, Nr. 2.

SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVE

  • Artikel: Kleve, H. (2017): Das Tetralemma der Unternehmerfamilie. Skizze eines systemischen Forschungsprogramms. In: systeme, Heft 02/2017, S. 224-243.
  • Artikel: Kleve, H. (2018): Die Organisation des Familiennetzwerks. Management großer Unternehmerfamilien als Ermöglichung von Reziprozität – eine Theorieskizze. In: Zeitschrift für Familienunternehmen und Strategie (FuS), Heft 02/2018, S. 44-49.
  • Artikel: Kleve, H. (2018): Die Unternehmerfamilie der Gesellschaft. Überlegungen zur Systemtheorie einer besonderen Sozialform. In: Familiendynamik, Heft 03/2018.
  • Buch:Kleve, H.; Köllner, T. (2019) (Hrsg.): Die Soziologie der Unternehmerfamilie. Wiesbaden: Springer, https://www.springer.com/de/book/9783658223878.
  • Buch: Köllner, T. (2012): Practising without Belonging: Entrepreneurship, Morality and Religion in Contemporary Russia. Berlin: Lit.

KONTAKT


Gerne können Sie auch weitere Informationen zu unterschiedlichen Themen und Fragestellungen bei uns anfordern. Lassen Sie uns einfach Ihre Nachricht zukommen.

    Chat